Neuigkeit

„Dankbar für all das, was wir haben“

Einsteinschüler berührt von Austauschbegegnung mit Sri Lanka

 

Anfang März, gerade noch rechtzeitig vor den coronabedingten Schulschließungen in Hessen, sind die beiden Lehrkräfte, Schulleiter Claus Wörn und die Organisatorin des Austauschs, Claire Lambrecht, sowie zwölf Schülerinnen und Schüler gesund und mit vielen eindrücklichen Erfahrungen im Gepäck von ihrem Schüleraustausch nach Deutschland zurückgekehrt. Es war bereits die dritte Austauschfahrt, die das Maintaler Gymnasium in den Inselstaat im Indischen Ozean unternommen hat
 

Zwei Wochen zuvor waren die vier Mädchen und acht Jungen im Alter von 14 bis 17 Jahren zusammen mit ihren beiden Lehrern aufgebrochen, um ihre Austauschpartner vom Wisdom International College in Beruwala zu besuchen sowie das Land und seine Kultur besser kennen zu lernen. Unterstützt wird der Austausch vom Main-Kinzig-Kreis, der bereits seit vielen Jahren partnerschaftliche Beziehungen zu diesem Ort an der Südwestküste Sri Lankas unterhält und dort vor allem seit den verheerenden Folgen des Tsunamis 2004 zahlreiche Hilfsprojekte betreut. Auch aus Mitteln der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) des Auswärtigen Amts und durch den Pädagogischen Austauschdienst (PAD) des Sekretariats der Kultusministerkonferenz wurde diese Schüleraustauschbegegnung gefördert.

Nach einem langen Flug mit Stopover in Qatar ging es für die Schülergruppe aus Deutschland und ihre sri-lankischen Austauschpartner direkt nach Landung in Colombo auf eine fünftägige Rundreise durch das Land. Erste Station war Kandy, die letzte Königsmetropole Sri Lankas, die vor allem für ihren schön angelegten Botanischen Garten und den buddhistischen Zahntempel bekannt ist. Gemäß der Überlieferung wird dort der linke Eckzahn des historischen Buddha Siddhartha Gautama als Reliquie aufbewahrt, was Kandy zu einer der wichtigsten Pilgerstätte des Buddhismus macht.

Von dort aus ging es am folgenden Tag mit dem Zug weiter nach Ella. Eine landschaftlich sehr reizvolle Fahrt durch das Hochland mit seinem üppigen Grün und den vielen Teeplantagen, das durch die offenen Waggontüren und den Fahrtwind noch unmittelbarer wahrgenommen werden kann.

Ein weiteres Highlight war der Udawalawe Nationalpark, in dem die Teilnehmer vom Safari-Jeep aus die Flora und Fauna Sri Lankas bestaunen konnten: Elefanten, die sich auf der Suche nach Futter gemächlich durch das Dickicht schoben, Büffel und Krokodile, die faul im Wasser lagen, Warane, Pfaue und exotische Vögel, vorwitzige Affen, eine Eule, die in einer Baumhöhle schlief; für die deutschen Besucher ein ganz besonderes Erlebnis.

Dieses intensive Zusammensein und -reisen förderte das Kennenlernen untereinander. Nicht nur die deutsche Gruppe wuchs in diesen Tagen sichtbar zusammen, auch gruppenübergreifend wurde das Miteinander immer entspannter und vertrauter. Die Schülerinnen und Schüler lachten und plauderten miteinander, als würden sie sich nicht erst seit wenigen Tagen kennen; es wurde am Lagerfeuer gemeinsam gesungen und getanzt, auf Englisch, Deutsch, Singhala, Tamil. Die Lehrer machten an einem Abend auf dem nahegelegenen Militärsportplatz zusammen Fitnesstraining, jeder nach seiner eigenen Façon – eine kleine Herausforderung bei diesen schwülen klimatischen Bedingungen. Und man hatte die Gelegenheit für interessante Gespräche über Land, Menschen, Kultur und Religion.   

Der Weg zurück nach Beruwala, dem Heimatort der sri-lankischen Austauschschüler, führte über Galle, ein im Südwesten des Landes gelegenes Küstenstädtchen, das durch hübsche Gebäude aus der Kolonialzeit besticht und deren 1663 von den Niederländern errichtete Festung und Altstadt zum UNESCO Weltkulturerbe zählen.  

 

In den folgenden Tagen lernten die deutschen Mädchen und Jungen ihre Partnerfamilien kennen. Obwohl die Besucher aus Deutschland während ihrer Zeit in Beruwala in einem kleinen Gästehaus nächtigten, erfuhren sie die überaus großzügige Gastfreundschaft der Austauschfamilien mehrfach täglich, wenn sie in die Häuser ihrer Austauschpartner zum Essen eingeladen wurden. Die Gastgeber verwöhnten sie mit den leckersten Köstlichkeiten der sri-lankischen und westlichen Küche, übergaben Geschenke und nahmen sie wie langjährige Freunde in die Familie auf. Sie unternahmen mit ihnen gemeinsame Ausflüge in die nähere Umgebung und luden sie herzlich ein, bei ihnen zu übernachten. Für den einen oder anderen Jugendlichen war dieses vorübergehende Getrenntsein von der vertrauten Gruppe nicht ganz einfach, denn er musste sich in dieser Zeit auf sich verlassen und alleine mit der neuen Situation zurechtkommen. Doch die Schülerinnen und Schüler haben diese Herausforderung gemeistert und ihre persönlichen Grenzen erweitert. Sie haben sich mit den fremden Sitten und Gepflogenheiten, den neuen Menschen und deren Ansichten auseinandergesetzt und sind sicherlich offener und toleranter, auf jeden Fall aber selbstbewusster und innerlich stärker geworden.

Zu Beginn der zweiten Woche besuchten die Einsteiner auch zum ersten Mal ihre Partnerschule, das Wisdom International College. Es gab eine große Willkommensfeier in der Schule, der nicht nur die Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte, sondern auch die Delegation von Sponsoren aus dem Main-Kinzig-Kreis unter dem Vorsitz des ehemaligen Landrats Karl Eyerkaufer beiwohnten. Begleitet von stimmungsvollen Tönen der festlich herausgeputzten Schulkapelle zogen die Gäste durch die abgesperrten Straßen des Viertels und in die Schule ein. Es wurden von beiden Seiten Reden gehalten, in denen die wichtige Bedeutung der national- und kulturübergreifenden Schulpartnerschaft betont wurde, die Schulhymne sowie die deutsche und sri-lankische Nationalhymne gespielt. Anschließend gab es einen Rundgang durch die Schule und die Gelegenheit, sich bei einem kleinen Imbiss in persönlichen Gesprächen auszutauschen.          

Die deutschen Schülerinnen und Schüler hatten in diesen Tagen die Chance, „ihre“ Schule und „ihren“ Unterricht mit denen ihrer sri-lankischen Austauschpartner zu vergleichen. So standen für sie u.a. die Fächer Englisch, Tamil, Islam, Buddhismus, Geschichte, Chemie, Science und Mathematik auf der Stundentafel. Vor allem ihre englischen Sprachfähigkeiten waren nun gefordert, denn nur wenige Wisdomschüler, hier in erster Linie die am Austausch teilnehmenden, besuchen den Deutschkurs am Wisdom International College. Bisher unterrichtet an der Partnerschule auch nur ein Lehrer, der selbst seit einigen Jahren am Goethe-Institut in Colombo vom Main-Kinzig-Kreis finanzierte Deutschkurse belegt, das Fach Deutsch. Eigentlich war in dieser Woche in der Schule ein vom Goethe-Institut organisierter „Deutschtag“ geplant gewesen. Aufgrund einer kurzfristig anberaumten Corona-Krisensitzung im Goethe-Institut konnte dieses Projekt dann aber leider nicht stattfinden.    

Die Jugendlichen stellten fest, dass es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen dem sri-lankischen und dem deutschen Schulsystem gibt, etwa was den Fächerkanon betrifft, aber dass sich ihr Gymnasium in anderen Bereichen auch deutlich vom Wisdom International College unterscheidet. Obwohl es eine Privatschule ist, die sich vor allem aus dem Schulgeld finanziert, ist ihre materielle Ausstattung mit einer Schule in Deutschland nicht vergleichbar. Auch werden in dieser Einrichtung, weil sie größtenteils von Muslimen besucht und geführt wird, die Mädchen und Jungen getrennt voneinander unterrichtet, was für die Einsteinschüler etwas befremdlich war. Erschwerend für das Lernen sind die dünnen Wände und halboffenen Räume und der damit verbundene hohe Lärmpegel, aber auch das schwül-heiße Klima wirkt sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeiten aus, denn Klimaanlagen in den Klassenräumen kann sich die Schule nicht leisten.     

Neben dem Unterricht standen für die Schülerinnen und Schüler in der zweiten Woche noch zahlreiche weitere Aktivitäten auf dem Programm. So machten sie eine von Rangern geführte Wanderung durch den Sinharaja Rainforest, fuhren mit dem Boot durch Mangrovenwälder und besichtigten eine Schildkrötenaufzuchtstation, wo sich die Mitarbeiter für den Erhalt seltener Schildkrötenarten einsetzen. Besonders beeindruckend war der Besuch des Tsunami-Denkmals in Hikkadua. Als der zerstörerische Tsunami am 26. Dezember 2004 über die Küste Sri Lankas hereinbrach, wurde Hikkaduwa mit am schwersten getroffen. Das Denkmal, eine riesige Buddhastatue, die mit 18,5 m die Größe der höchsten Tsunami-Welle hat, mit einer Gedenktafel und zahlreichen Fotos, erinnert noch heute an die vielen Opfer der schrecklichen Naturkatastrophe.

Der Begründer der Partnerschaften, Herr Karl Eyerkaufer a.D., feierte in dieser Woche im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung seinen 80. Geburtstag. Auch die Schülerinnen und Schüler aus Maintal und ihre Lehrer waren unter den zahlreichen geladenen Gästen.

Einen weiteren Schwerpunkt dieses Austauschs bildeten die Besuche verschiedener sozialer Projekte und Einrichtungen des Main-Kinzig-Kreises. So beispielsweise des Technical Institutes in Beruwala, dem der Kreis Fahrräder gespendet hat, damit die Schüler überhaupt die Möglichkeit haben, diese Berufsschule zu besuchen. Busverbindungen dorthin gibt es entweder nicht oder die jungen Männer können sich die Fahrkarte nicht leisten.

Einen besonders prägenden Eindruck hat ein Heim für Behinderte auf die Jugendlichen hinterlassen. Der Main-Kinzig-Kreis hilft hier teilweise schwerstbehinderten Kindern und jungen Erwachsenen, die weder von ihren Familien noch von der Gesellschaft gewollt sind oder ausreichend unterstützt werden.

Der Höhepunkt dieser Austauschbegegnung war sicherlich die Übergabe eines Holzhauses an eine arme Fischersfamilie. Über Kuchenverkäufe in den Pausen, Sammelaktionen und private Spenden hatten die Schülerinnen und Schüler im Vorfeld etwa 1400 Euro gesammelt, mit denen sie das ca. 30 qm große Haus, das über eine Außentoilette, Stromversorgung und einen Wassertank verfügt, finanzieren konnten. Seinen Dank drückte der zweifache Familienvater in einem rührenden Brief an die Schüler und Lehrer aus. Dass es aber auch sehr beglückend ist, zu geben, bestätigt die Aussage einer Schülerin: „Es hat mich riesig gefreut, dass man auch nur mit wenig Aufwand Menschen so glücklich machen kann. […] Zu sehen, wie dankbar die Familien waren, hat uns tief berührt.“    

Ein solcher Austausch prägt und hinterlässt seine Spuren. Die Jugendlichen, die an dieser Reise teilgenommen haben, kommen verändert zurück, sind reifer geworden, reflektierter, demütiger. Das haben auch die beiden vorangegangenen Austausche gezeigt. Freundschaften, die damals geschlossen worden sind, bestehen noch immer, die jungen Menschen gehen nach ihrem Abitur nach Sri Lanka zurück, um bei sozialen Projekten mitzuhelfen oder ein Praktikum im Goethe-Institut zu machen. „Uns ist hier in Deutschland gar nicht bewusst, wie dankbar wir sein können für all das, was wir haben“, erklärte ein Schüler dieses Austauschs seinen Mitschülern in Deutschland, als er seiner Klasse von seiner Sri Lanka-Reise berichtete. Diese Erkenntnis ist nicht gewonnen durch Anlesen oder „Nachplappern“, sondern durch Erleben und Erfahren.   

Claire Lambrecht

es folgt ein:

Schülerbericht über den Sri Lanka-Austausch 2020