Was kann ich erleben?

Interview mit Anna

Also Anna, erstmal die Frage wo genau warst du und welche Schule hast du besucht?
Ich war in Mascoutah, in Illinois, das liegt in der Nähe von Saint Louis in Amerika. Die Schule auf die ich ging war die Mascoutah High School.
Okay, und wie bist du da hingekommen, also mit welcher Organisation?
Mit der YfU, das heißt „Youth for Understanding“.

Wie ist diese Organisation zu dir gewesen? Wie war deine Erfahrung?
Die Deutsche YfU war wunderbar und sehr, sehr freundlich. Wenn man dort angerufen hat,  haben sie uns zum Beispiel immer mit unserem Vornamen angesprochen; die amerikanische Seite hingegen war sehr schlecht organisiert.
Inwiefern war die deutsche YfU-Seite denn sehr gut?
Ich wurde in Deutschland während der Vorbereitungstage auf meine Zeit in den USA vorbereitet. In Gesprächen haben wir uns über Kultur im Allgemeinen unterhalten. Weiterhin haben wir viele Schaubilder gemacht: Diagramme und Mindmaps zum Beispiel.
Also war das eine professionelle Organisation? Das hatte sicher seine Kosten.
Ich habe ein Stipendium durch den Bundestag, das sogenannte PPP erhalten, also habe ich nichts gezahlt.
Oh, eine vorbildliche Schülerin mit Top-Noten also. Okay gut, dann kommen wir zu dem, was uns am meisten interessiert: Wie war Amerika? Fangen wir mit deiner Familie an.
Meine erste Familie war schrecklich! Sie waren absolute Kontrollfreaks. 
Wow, das sind harte Worte. Du warst nicht glücklich mit deiner Familie?
Nein. Ich hatte 2 kleine Schwestern im Alter von 5 und 10 und hatte fast dieselben Freiheiten und musste dieselben Regeln befolgen.
Und wieso waren sie dann Kontrollfreaks?
Wenn ich etwas mit meinen Freundinnen unternehmen wollte, musste ich die Adresse und die Telefonnummer der Eltern der Freundin vorher bei meinen Gasteltern abgeben. Auch am Wochenende durfte ich nichts unternehmen, da ich immer für Familienaktivitäten verplant wurde.
Habt ihr häufig gestritten und wenn ja, welche Konsequenzen hast du erfahren? Ich meine so wie du das sagst warst du wohl nicht sehr glücklich.
Ja wir haben öfters gestritten, ich war 16 zu dem Zeitpunkt und ich wollte etwas mehr Eigenständigkeit. Danach drückte sich ihre Unzufriedenheit häufig in Form von passiver Aggressivität und kurzen, gemeinen Kommentaren aus.
Das klingt aber nicht sehr reif. Warst du die vollen 10 Monate bei ihnen?
Nein. Nach einem halben Jahr bin ich dann zu einer anderen Familie gegangen.
Einfach so? Andere Familie?
Ja, also normalerweise soll man einmal im Monat Kontakt mit seinem Area Rep (Gebietsverantwortlichen) haben, jemand der sich um dich kümmert, aber das ist bis dahin nicht passiert, weil die YfU auf amerikanischer Seite, wie gesagt, nicht sonderlich kompetent ist. Nach 6 Monaten wechselte dann meine Area Rep und nahm regelmäßig Kontakt zu mir auf.
Hat sich dadurch etwas geändert?
Es kam dann zu einem Gespräch zwischen den Eltern, mir und der  Area Rep, die in dem Gespräch gut vermittelt hat.
Und zu wem bist du dann gezogen?
Mehrere Freundinnen hatten angeboten, dass ich bei ihnen wohne und ihre Eltern waren damit auch einverstanden. Ich sprach mit meiner Area Rep und sie leitete alles in die Wege. Eine Woche später war ich dann umgezogen.
Und wie hat deine ursprüngliche Familie darauf reagiert?
Sie wollten, dass ich die Stadt verlasse und die Schule wechsle.
Wieso das denn?
Der Gastvater ist Lehrer auf meiner Schule und die Familie wollte vermeiden, dass durch mich ein schlechtes Licht auf sie geworfen würde.
Ja kann ich verstehen. Aber du bist im Ort und auf der Schule geblieben, oder?
Ja.
Wie war die neue Familie?
Sie war wunderbar, viel freundlicher und offener. Ich hab mich wunderbar mit der Mutter verstanden. Ich halte auch jetzt noch Kontakt zu ihr.
Gut, dann erzähl mir doch bitte noch wie deine Erfahrung mit der Schule war.
Also, ich bin fast jeden Tag bis 17:00 Uhr in der Schule gewesen, weil ich AGs oder Sport nach der Schule hatte. Dadurch hat sich mein Leben um die Schule gedreht. Alles hat viel Spaß gemacht und ich habe es geliebt bei den aufregenden schulischen Sportveranstaltungen zuzusehen. 
Und war der Unterricht hart?
Es ging. Jede Unterrichtsstunde war fest durchorganisiert und klar strukturiert. Die einzige Prüfungsform waren Multiple-Choice-Test. Das Interessante war einfach, dass jeder Lehrer seinen eigenen Klassenraum hatte und deshalb die Räume die Persönlichkeiten der Lehrer widerspiegelten.
Zusammenfassend: Was würdest du sagen?
Das Jahr war das beste Jahr meines Lebens.
Trotz der ersten 6 Monate? 
Ja, auch die ersten 6 Monate waren eine Erfahrung für sich.
Und wenn jemand weniger offen ist als du, wäre das ganze immer noch so toll?
Ich denke nicht. Man muss auf jeden Fall über seinen Schatten springen und man muss Freunde finden, damit man in der Schule auch eine schöne Zeit hat.
Danke, Anna! 

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