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Geschichtsunterricht am Niederwalddenkmal bei Rüdesheim

Sein wir doch mal ehrlich. Die 8. Klasse ist im Fach Geschichte, u.a. durch G8 bedingt, nicht gerade das attraktivste Schuljahr für Schülerinnen und Schüler wie für Lehrer. Die vielen Revolutionen und Veränderungsprozesse lassen durchaus auch bei motivierten und interessierten Schülerinnen und Schülern manchmal ein Gefühl der Resignation zurück; das 19. Jahrhundert ist eines, das ewig weit von der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler weg ist. Das merkt man als Lehrer jedes Jahr aufs Neue. Dennoch ist es so wichtig, weil doch alles in Geschichte aufeinander aufbaut. Wichtig ist es daher, dass man sein Wissen mal anwenden kann, Geschichte praktisch erleben… Die 8b ließ sich auf den Vorschlag Ihres Klassen- und Geschichtslehrers ein und verließ für einen Tag das Klassenzimmer, um bei Kaiserwetter Unterricht im schönen Rheingau zu machen.

Beim Thema „Deutsches Kaiserreich“ bietet sich das vorzüglich an. Zugegeben: Die Reichseinigungskriege, Bismarcks Politik und Intrigen, die Kaiserproklamation sowie Nationalismus und Militarismus sind Themen, die mal wieder nur bedingt den Durchschnittsachtklässler begeistern (den Lehrer umso mehr…), dennoch sind sie ganz wichtig, vor allem für die Geschichte des 20. Jahrhunderts, bisweilen sogar bis heute. Umso wichtiger, dass die Schülerinnen und Schüler diese für sie unwichtigen Inhalte am Schuljahresende nochmal ansprechend aufbereitet bekommen, damit sie  über die Ferien nicht alles vergessen bzw. im neuen Schuljahr Anknüpfungspunkte haben.

Die 8b machte sich daher am 29.06.15 zu einer Geschichtsstunde der etwas anderen Art auf. Bereits um 07.00 Uhr trafen wir (Klasse 8b, Frau Pöser, Herr Schäfer) uns am Bahnhof Maintal-West, um knapp zwei Stunden gemütlich mit der Bahn nach Rüdesheim zu fahren. Dort angekommen gab es erst einmal „Landeskunde“, u.a. liefen wir durch die weltberühmte Drosselgasse. Noch vor einer großen japanischen Reisegruppe, die ihre Deutschkenntnisse an den Schülerinnen und Schülern der 8b gerne erprobte und diese gerne halfen und erklärten, fuhren alle paarweise mit der Seilbahn hoch zum Denkmal. Selbst die Schülerinnen mit Höhenangst überwanden diese, stellten sich der Herausforderung und fanden die Fahrt am Ende sogar ganz schön.

Nach einer kurzen Einweisung durch Herrn Schäfer (Abruf der Hausaufgabe, Einführung an der Widmungsinschrift) begann die Erarbeitungsphase. Mit den Arbeitsblättern in den Händen umliefen die Schülerinnen und Schüler das Denkmal teilweise mehrmals, weil es so viel zu entdecken gab! Auch ein „Dünger-Helikopter“ konnte die Konzentration nur kurzzeitig blockieren. Nachdem die Analyse der Quelle Niederwalddenkmal vorbereitet war, sind wir nochmals das Denkmal zusammen abgelaufen und haben alle Teile genauestens besprochen bzw. Fragen geklärt, um im Anschluss die Quelle Denkmal als großen Symbolkomplex zu interpretieren. Hier kamen erstaunlich gute Ergebnisse raus: Die 8b erkannte recht bald, dass die Macher des Denkmals und der Kaiser seinerzeit diverse Kalkulationsfehler hatten: Das Kaiserreich gibt es nicht mehr, Frankreich ist kein Feind mehr, sondern ein guter Freund und der durchgängige Militarismus ist für uns heute eher befremdlich, bisweilen sogar etwas „peinlich und übertrieben“. Ferner haben die Schülerinnen und Schüler mal wieder eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Quellen, auch wenn es sich um „Nationaldenkmäler“ handelt, können ganz schrecklich lügen und die Tatsachen verdrehen! Zuletzt diskutierten wir noch kurz über die Gegenwartsbedeutung dieser Quelle. Viele Schülerinnen und Schüler waren schon in Rüdesheim als Tagestouristen, keiner hat sich aber mit dem Denkmal auseinandergesetzt, auch die diversen Reisegruppen beachten vor allem den schönen Ausblick, weniger die Aussage eines antiquierten Denkmals, das so viel über das „lange 19. Jahrhundert“ und seine Folgen für das 20. Jahrhundert, teilweise sogar bis heute verrät. Schön war es für die Lehrer zu erkennen, dass die Schülerinnen und Schüler mit der Zeit Spaß hatten, dass sie ihr Wissen zielführend einsetzen konnten, auch wenn sie das im Nachhinein nicht mehr zugeben würden…

Zurück ging es dann zu Fuß hinab durch die malerischen Weinberge, nach einer kurzen Mittagspause in der Stadt ging es wieder zurück nach Hause, wo die erfolgreiche und motivierende Geschichtsstunde der etwas andern Art für alle Beteiligten erfolgreich endete.

Bericht: Max Schäfer
Bilder: Nancy Pöser