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AES wählt Unwort des Jahres – Deutsch-Kurs der Q2 setzt sich mit der Bedeutung der Sprache für unsere Gesellschaft auseinander

AES wählt Unwort des Jahres – Deutsch-Kurs der Q2 setzt sich mit der Bedeutung der Sprache für unsere Gesellschaft auseinanderDie „Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl“, sagte Victor Klemperer (1881-1960) einst, ein Literaturwissenschaftler mit jüdischem Hintergrund, der sich mit der Sprache des Dritten Reichs auseinandersetzte.

 

Damit erläutert Klemperer die Macht der Sprache, die bereits in der NS-Zeit als starkes Propagandamittel zählte, denn allein anhand der Wortwahl im Alltag wird unser Weltbild unbewusst beeinflusst. So projiziert die mediale Eintrichterung von Wörtern oft das Denken eines andere auf unser Selbst.

Oftmals mogeln sich sogenannte Unwörter in den Sprachgebrauch einer Person ein, ohne dass diese sich darüber bewusst sind, was genau die Bedeutung bzw. der historische Kontext zu diesem Wort ist. Deshalb wird seit einiger Zeit jedes Jahr ein „Unwort des Jahres“ gewählt. Jene Wörter haben in der Regel einen aktuellen Bezug und lassen sich durch bestimmte Kriterien ermitteln. Zum einen verstoßen sie gegen das Prinzip der Menschenwürde bzw. sind diskriminierend. Damit werten sie einzelne oder mehrere Personen argumentationslos ab. Zum anderen verstoßen sie gegen das Prinzip der Demokratie, wodurch kritische Haltungen oder Weltansichten ohne weitere Argumente dargelegt werden. Außerdem können die Unwörter euphemistisch oder irreführend sein und die eigentliche Bedeutung des Wortes wird verunstaltet.

Wie beeinflusst uns die Sprache heute? Eines der aktuellsten Unworte des Jahres ist das Wort „Klimaterroristen“ – ein Begriff, der nichts mit der Taliban zu tun hat, aber dennoch wie eine Granate in die deutsche Sprache einschlägt. Gemeint sind Klimaaktivisten, die besonders invasiv und laut für Klimareformen protestieren. Besonders nachdem eine Frau durch einen solchen Protest ums Leben kam, gewann dieser Begriff an Popularität. Natürlich hat dieser Umstand nichts mit Terrorismus zu tun. Der Tod der Frau war nicht Ziel des Protests. Durch diesen Begriff wird jedoch der Kampf gegen den Klimawandel kriminalisiert. Er gibt allen Aktivisten das Label „Terrorist“, er macht sie zur Gefährdung der Gesellschaft, obwohl ihre tatsächlichen Absichten das nicht sind.

Um uns besser mit den Unwörtern auseinanderzusetzen, wählten wir unser eigenes Unwort des Jahres. Die Bestimmung von  Unwörtern ist eine gute Möglichkeit, unser Bewusstsein über Sprache zu verstärken und trägt auch dazu bei, dass wir uns darüber klar werden, welche Botschaften wir mit unseren Worten vermitteln. So kann eine bewusste Sprache dazu beitragen, Vorurteile und Diskriminierung zu verhindern. Im Deutschkurs der Q2 von Frau Kleemann fiel das Ergebnis auf den Begriff „Befreiungskrieg“. Dicht dahinter folgte die „Deutsche ‚Gastfreundlichkeit‘“, mit der häufig die angebliche Tatsache beschrieben wird, dass vor allem aus der Ukraine Geflüchtete besser behandelt würden als die deutsche Bevölkerung selbst. Auf dem dritten Platz des Rankings folgte der Begriff „Kanonenfutter“, der im Krieg für taktische Zwecke geopferte Soldaten beschreibt.

Das Erste, was einem bei diesem Ergebnis auffällt, ist, dass alle die Unwörter mit dem Russland-Ukraine-Krieg zu tun haben. Dadurch wird deutlich, dass dieses Thema die ganze Welt sehr mitgenommen hat, wenn es auch die Sprache in diesem Jahr so sehr beeinflusste. Der Begriff „Befreiungskrieg“, welcher speziell von Anhängern Putins in Bezug auf den Ukrainekrieg missbraucht wird, entspricht unserer Meinung ganz besonders einem Unwort.

Er nimmt seinen Ursprung aus den Wörtern Befreien und Krieg, und deutet somit auf einen militärischen Konflikt hin, welcher zur Befreiung eines besetzten und unterdrückten Volkes oder eines Gebietes führen soll. Von einem Befreiungskrieg wird häufig im Kontext von Kolonialisierung gesprochen, wenn sich die besetzten Länder gegen die Kolonialmächte auflehnten und sich von deren Einfluss und Unterdrückung befreiten oder im Zusammenhang der Freiheitskriege von 1813 bis 1815, in denen sich Mitteleuropa die Unabhängigkeit von Napoleon zurücksicherte. Im Kontext des aktuellen Krieges würde dies bedeuten, dass die russische Regierung das Volk der Ukraine von der Unterdrückung durch seine eigene Regierung befreien würde, da diese davon ausgeht, dass die Ukraine eigentlich zu ihrem Land gehöre. Doch wer oder was befreit wird, bleibt für die meisten unklar, denn der Krieg beruht darauf, dass die russische Regierung ein eigenständiges und unabhängiges Land angreift. Allerdings ist diese Information dem Großteil der russischen Bevölkerung nicht zugänglich. Nichtsahnend werden ihnen Begriffe wie „Befreiungskrieg“ aufgezwungen, sodass sich ihre Denkmuster ungewollt anpassen und sie diesen Krieg unwissend unterstützen.

Es ist weder menschenwürdig noch demokratisch bei dem Angriffskrieg der russischen Regierung von einem Befreiungskrieg zu sprechen, da unzählige Zivilisten getötet, statt befreit und willkürliche Angriffe relativiert werden. Es stigmatisiert zudem das ukrainische Volk, welches sich scheinbar nach einer Befreiung sehnt oder diese benötigt und das in ihrem eigenen, immer noch unabhängigen Land.

Sprache hatte schon immer einen großen Einfluss auf die Gesellschaft und hält diesen bis heute. Oft glaubt man in freien Nationen, immun gegen diese Manipulation durch Sprache zu sein, aber das ist man nicht. Alle möglichen politischen Lager nutzen die Sprache, um Anhänger zu gewinnen, während Sprache in totalitären Staaten anderswo auf der Welt von der Regierung diktiert wird, um die Linie der Regierung zu rechtfertigen. Die letzte Zeit stand im Schatten des Angriffskrieges in der Ukraine und das Wort „Befreiungskrieg“ sticht deshalb auch als Unwort des Jahres hervor. Wir müssen uns der Bedeutung der Worte stets bewusst bleiben, sonst verlieren wir durch sie unseren Bezug zur Realität.

- Ein Kommentar der Q2, zusammengestellt aus den Texten des Kurses -